
Wer Kinder hat, weiß um die pädagogische Gratwanderung sprachlicher Grenzziehungen. Welche Wortwahl gilt als Hochdeutsch, welche eher als Umgangssprache, welche Wörter haben als Mundart allenfalls regionale Gültigkeit und was ist eindeutig Gossenjargon?
Bei den schwachen Verben „pissen“ und „strullen“ sind diese Fragen nicht allzu schwer zu beantworten, auch wenn es sich dabei um ein menschliches Grundbedürfnis handeln mag. Ethymologisch interessant sind diese sprachlichen Ergüsse dennoch, denn auch wenn sie nicht die gleiche Herkunft haben, ist ihre Genese doch ganz ähnlich.
So wie sich nämlich „strullen“ lautmalerisch dem „Strahl“ entlehnt, beschreibt auch das im Niederdeutschen seit dem Mittelalter bekannte und ursprünglich aus dem Französischen stammende Wort „pissen“ einen geräuschvollen Wasserstrahl, der sich in ein großes Becken ergießt. Große Becken zum Zwecke der Wasserspeicherung heißen im Französischen „piscine“, eine direkte Ableitung des lateinischen Worts „piscina“ für Badebecken, Wasserspeicher oder – und das wohl im ursprünglichen Sinne – für einen Fischteich bzw. ein Fischzuchtbecken.
Da jede der genannten Nutzungen einen Frischwassernachschub brauchte, findet man auch in jedem „piscine“ diesen geräuschvollen Wasserstrahl, der dem schwachen Verb seinen Namen verlieh. Aus dieser rein ethymologischen Verwandtschaft von Fisch und Pisse auch einen olfaktorischen Kausalbezug herzustellen, würde dann aber doch zu weit greifen.