
Als ich heute von meiner kleinen Wanderung am Thurner zu meinem Auto zurückkam, standen da zwei Jugendliche (ca. 15 Jahre), ein Junge und ein Mädchen und beide sahen ziemlich erschöpft aus. Sie fragten mich, ob der Bach unter uns der Zweribach sei und ich antwortete verwundert, dass der Zweribach doch bei der Platte fließt, unterhalb vom Kandel. Ja, sagten die Teenies, dort auf einem der Bauernhöfe seien sie mit ihren Eltern zu Gast. Heute morgen seien sie zum Wandern aufgebrochen, aber dann hätten sie sich verlaufen.
Im verwinkelten, tiefen Hexenlochtal, in dem wir drei uns befanden, hat man nur selten Handyempfang. Deshalb konnte ihnen weder Google den Weg nach Hause zeigen noch konnten sie ihre Eltern anrufen. Ich sagte: Kinnings, Ihr seid echt witzig! Um zu eurem Bauernhof zurückzukommen, müsst Ihr ganz da oben über den Berggrat rüber und dann noch mal gut 12 km laufen. Einen anderen Weg gibt es hier nicht. Aber in einer Stunde wird es dunkel und bis dahin schafft Ihr das nicht. Mein Vorschlag: Ihr kommt mit mir und ich fahre Euch heim.
Klar, das wollten sie nicht. Man steigt auch nicht einfach bei wildfremden Menschen ins Auto. Aber eigentlich wandert man auch nicht einfach so in den Bergen drauf los und hofft darauf, dass man nur mit Turnschuhen und einem Handy jederzeit zurückfindet.
Da ich selbst auch keinen Empfang hatte, konnte ich den Jungen nicht seine Eltern anrufen lassen. Also bot ich ihm an, dass er mir die Handynummer seines Vaters aufschreibt, damit ich wenigstens den anrufen könne, sobald ich mit meinem Auto wieder auf dem Grat des Thurners sei, wo das Handysignal erfahrungsgemäß stark genug ist. Wollte der Junge aber auch nicht. Als ich schließlich anbot, ich könne im nächsten Ort ja Hilfe schicken, bekam das Mädchen Angst und schrie mich an, ich solle sie endlich in Ruhe lassen und abhauen.
Hab ich dann auch gemacht. Im nächsten Ort habe ich natürlich trotzdem Alarm geschlagen und bin schließlich mit einem Bauern und einem Landarzt nochmal zurückgefahren. Doch als wir an der Stelle ankamen, wo ich die Kinder getroffen hatte, waren sie nicht mehr da.
Zu dem Zeitpunkt dämmerte es bereits und wir waren uns alle drei einig, dass jetzt nur noch die Bergwacht helfen könne. Denn nachts wird es da oben schon empfindlich kalt und ohne Ausrüstung und genügend Erfahrung wird das ziemlich schnell ziemlich gefährlich.
Ich bin dann irgendwann heimgefahren, aber es lässt mir noch immer keine Ruhe. Die Gästehäuser an der Platte sind mehrere Täler von der Wildgutach-Schlucht entfernt. Was für Ängste müssen die armen Eltern ausstehen, wenn ihre Kinder einen ganzen Tag lang verschwunden sind. Und was für ein beknacktes Gefühl muss es sein, wenn man sich hoffnungslos verlaufen, das Gelände und seine eigenen Kräfte falsch eingeschätzt hat und nicht einmal dann die Hilfe anderer annehmen kann, wenn die Rettung zum Greifen nahe ist.
Ich hoffe wirklich, dass die Sache noch gut ausgeht und die Kinder sicherlich entkräftet und hungrig, aber nur mit einem gehörigen Schrecken davonkommen. Und dass sie dann das Richtige daraus lernen.