Ein öffentlicher Ort wie Facebook ist nicht wirklich dazu geeignet sprachliche Korrektheit zu erwarten, geschweige denn das Wissen um den grammatisch richtigen Gebrauch der eigenen Sprache vorauszusetzen. Bei vielen Beiträgen und vor allem Kommentaren scheint es mittlerweile wichtiger zu sein schnell ein persönliches Statement „rauszuhauen“ als vor dem Betätigen des Senden-Buttons noch einmal nach etwaigen Tipp-Fehlern zu schauen … wobei die Annahme, dass es sich hierbei tatsächlich um Tipp-Fehler handele, vermutlich ein ebenso idealistisch angehauchter wie anachronistischer Trugschluss ist.
Ich habe neulich (wieder einmal) gelesen, dass man doch endlich mit dem Unfug aufhören solle, Kindern in der Schule grammatische Analysen beizubringen, weil es definitiv Wichtigeres gebe als z.B. den Unterschied zwischen einem Adjektiv und einem Adverb zu kennen. Das mit der Wichtigkeit mag durchaus stimmen. Aber ist die Schule nicht genau dafür da, Kindern absolute (und auch sprachliche) Basics zu vermitteln, an Hand derer sie sich dann später über die Wichtigkeiten in ihrem Leben ein eigenes Urteil bilden können?
Mein Sohn hat mich kürzlich gefragt, warum eigentlich das Wort „trotz“ so häufig mit Genitiv verwendet wird, schließlich heiße es doch „trotzdem“ und nicht „trotzder“, „trotzdes“ oder „trotzden“. Guter Junge! Da ist das Schulkonzept aufgegangen, denn er wendet seine Muttersprache nicht einfach nur an, sondern hinterfragt sie auch.
Da ich die Antwort zwar ahnte, aber nicht explizit wusste, schaute ich dort nach, wo sich in meiner Jugend der Garant für die richtige Antwort auf solche Fragen verbarg, nämlich im Duden. Doch der ist mittlerweile selbst nur noch online aktuell und hält offenbar von bunten Werbebannern mehr als von einer klar strukturierten Kundenführung. Zu meiner großen Überraschung war die dort gegebene Antwort auf die Frage meines Sohnes enttäuschend ungenau. Da wird u.a. mit irgendwelchen regional unterschiedlichen Mundarten rumgeeiert (by the way: Mundarten sind immer regional unterschiedlich, sonst wären es keine Mundarten, aber egal!), statt grammatisch auf den Punkt zu kommen. Als mir mein Sohn mit einem müden Lächeln offerierte, dass er mir diese Frage stelle, weil er mit der Antwort des online-Duden selbst nicht weiterkomme, habe ich versucht es in eigenen Worten zu erklären.
Das Wörtchen „trotz“, begann ich also zu dozieren, könne zweierlei Bedeutungen haben, nämlich entweder einen einschränkenden (so wie das Wort „obwohl“) oder einen vergleichenden Sinn (so wie das Wort „gegenüber“). Ob wird mit Genitiv gebraucht, gegenüber mit Dativ. Je nachdem, in welchem Zusammenhang man „trotz“ gebraucht, könne es unterschiedliche Bedeutungen haben und würde folglich auch unterschiedliche Kasūs erfordern.
So könne sowohl „trotz allen Bemühungen“ wie auch „trotz aller Bemühungen“ richtig sein, weil sich bei inhaltlich gleicher Bedeutung doch der Fokus der Sinnhaftigkeit verschiebt: Bei ersterem liegt die Betonung auf den Bemühungen selbst („man hatte sich alle Mühe gegeben, seine Verbindungen spielen lassen und auf sein Glück vertraut“), bei der zweiten Variante eher auf allem, was daraus folgt („obwohl man sich redlich bemüht hatte“).
Nach ein paar übenden Beispielsätzen nickte mein Sohn, weil er es begriffen hatte. Er bedankte sich und fügte mit einem anerkennenden Grinsen hinzu: „Siehst du, Papa, das ist der Grund, warum wir mit solchen Fragen zu dir kommen!“
Eben diese Fragen und unsere gemeinsamen Aus-Sprachen geben mir die Hoffnung, dass wenigstens seine Beiträge und Kommentare eines Tages von einem gesunden Sprachverständnis zeugen werden und dass er genauso wie in seinen aktuellen Klassenarbeiten auch zukünftug immer die Zeit findet, das von ihm Geschriebene noch einmal Korrektur zu lesen, bevor er es in die große weite Welt entlässt.