Ich habe mir gestern einen lang ersehnten Traum erfüllt und dabei zugleich mehrere Grenzen überschritten, die ich bislang eher gemieden hatte: Nämlich die Querung der Flensburger Förde mit meiner TIWAL von Glücksburg zu den dänischen Ochseninseln vor Sønderhav und zurück.
Dabei ist die Entfernung selbst nicht sonderlich aufregend. Mein gestriger Törn war knapp 5 Seemeilen lang. Aber man durchkreuzt dabei das offizielle Fahrwasser der Förde und da sind viele große Schiffe unterwegs, die nicht ausweichen können und denen man auch nicht zu nahe kommen sollte, wie z.B. das Schnellboot der deutschen Marine oder der dänische Tanker, in deren Kielwassersog ich partout nicht kommen wollte.
Um in einem auch von vielen großen Yachten so stark befahrenen Fahrwasser mitspielen zu können, braucht man eigentlich mehr Wind als auf der TIWAL gemütlich ist. Aber gestern waren die Bedingungen optimal: Konstanter Wind von 4 Beaufort (20 km/h) aus Westsüdwest, also ein schneller Halbwindkurs.
Schon bei meiner Ankunft im Schwennautal pfiffen die Böen durch die Baumwipfel und ich bekam Zweifel, ob ich das Unternehmen nicht doch abblasen sollte. Aber dann unterhielt ich mich am Strand mit ein paar Kitesurfern und Foilseglern, die meinten, dass auf der Förde starker Wind wehe, aber keine gefährlichen Böen.
Eine halbe Stunde später hatte ich mein Schiffchen aus dem Kofferraum befreit und stand im Neoprenanzug mit flatterndem Segel im knietiefen Wasser am Fördestrand. Ein Sprung an Deck, Schwert runter und die Schoten dicht … und meine TIWAL glitt mit majestätischem Schwung aus der Sandwiger Bucht Richtung Förde.
Als ich aus der Landabdeckung kam, pfiff mir der Westwind kräftig in die Flanke. Um mein Schiffchen ausreiten zu können, musste ich meinen Schwerpunkt auf die Ausleger verlagern und der lange Run über die Förde begann. Die Dünung war unerwartet hoch (knapp 1 m Höhendifferenz von Wellenberg zu Wellental), aber dafür angenehm weit, sodass der Ritt durchs Wasser einem nicht allzu nassen Wellensurfen glich. Nur ab und zu hat mich eine unregelmäßige Welle erwischt und mit 30 Litern Gischt abgeduscht.
Wie gesagt zwei Dickschiffen musste ich ausweichen, aber nach knapp 30 Minuten hatte ich das Fahrwasser hinter mir und rauschte parallel zur Steilküste der Ochseninseln Richtung dänische Küste. Zwischen den Inseln empfingen mich Windstille und spiegelglattes Wasser, denn bei Westwind befindet man sich dort in der Landabdeckung von Steilküste und Inselforst. Wunderschön und sehr friedlich.
Ich ließ mich von der Strömung treiben, schoss ein paar schöne Fotos und nutze die Ruhe, um an Deck mein mitgenommenes Picknick zu verspeisen. Der wasserdichte Seesack, den ich immer am Mast befestige, war von unzähligen Brechern vollkommen durchnässt, aber sein Inhalt knochentrocken. So soll es sein. Kurz nach dem letzten Schluck aus der Sprudelflasche setzte der Wind wieder ein.
Ich segelte bis an den Strand von Søderhav und kreuzte von dort entlang der dänische Küste Richtung Kollund. Schließlich ging ich wieder auf Südkurs und peilte mit raumem Wind den Yachthafen von Glücksburg an. Der Wind blies immer noch kräftig, aber der Winkel war günstiger, deshalb blieb ich auf der Rückfahrt so gut wie trocken, obwohl man ja auf der TIWAL nur wenige Zentimeter über dem Wasser sitzt.
Zwischenzeitlich kam sogar die Sonne aus den Wolken und warf auf die Flensburger Förde das Lichtspiel einer riesigen Diskokugel. Und dann, mitten auf der kaum noch befahrenen Förde plötzlich ein heftiges Schnauben direkt neben mir. Fünf oder sechs kleine Schweinswale schwammen neben mir und eskortierten mich Richtung Deutschland.
Was für ein besonderer Moment!
Die Delphinähnlichen Wale finden Schwert- und Kielsegler interessant und ziehen oft verspielte Bahnen um die Boote. Ich kenne solche Begegnungen vom Yachtsegeln auf der Ostsee. Aber auf der TIWAL befindet man sich mit den kleinen Wesen fast auf Augenhöhe. Die heutige Begegnung jedemfalls hat mich tief berührt und so kam ich schließlich am frühen Abend wieder in deutsche Gewässer.
Mit achterlichem Wind und glücklich lächelnd, den Kopf auf dem Backbordgestängepolster, die Quanten über das Steuerbordgestänge gefleezt schoss ich parallel zur Glücksburger Uferpromenade durch die seichten Wellen und überholte sogar die Jogger im Liegen.
Zwanzig Minuten später lag die TIWAL schon wieder abgetakelt auf ihrem Aluminiumtrailer und ich saß mit einer Pulle Budweiser und einem dämlichen Siegergrinsen im Gesicht auf den Steinen der Strandmole von Sandwig und blickte stolz auf die im Abendlicht schimmernde Förde.
Die Passage zu den Ochseninseln war die bislang härteste Tour, die ich mit meinem Bootchen gesegelt bin. Aber jetzt weiß ich, dass ich dem Material auch bei kräftigen Winden vertrauen kann und dass selbst diese Wetterlage auf der TIWAL noch Spaß bringt. Eine in doppelter Hinsicht grenzüberschreitende Erfahrung.