Wortfindungsstörung mit Tradition

Die Ursprungsfrage nach dem Huhn oder dem Ei führt in den meisten Fällen zu nichts wirklich Brauchbarem. Bei ethymologischen Fragen jedoch den ältesten Quellen eine allenfalls übertragende Bedeutung zuzumessen, finde ich dann doch ziemlich gewagt.

So findet man in den einschlägigen Wörterbüchern zur Ethymologie des Begriffs Porticus die Erklärung, dass die Porticus (femininum!) ein architektonischer Oberbegriff für alle römischen Hallen sei, die es bekanntlich in den unterschiedlichsten Ausführungen gibt, sei es als Ambulatorium im Theater, als Markthalle auf dem Forum oder als doppelschiffige Säulenhalle in der Haus- und Palastarchitektur.

Und das Wort Porticus, erfährt man in den schlauen Quellen, leite sich von dem lateinischen Wort für Tür ab, nämlich „porta„. Klingt logisch oder? Bullshit! Portiken haben ursprünglich mit Türen so viel zu tun wie Kühe mit Aerodynamik. Und doch, obwohl die Portiken begrifflich rein gar nichts mit den Türen zu tun haben, liegt ihr Ursprung paradoxerweise genau dort, nämlich bei den Türen. Doch um das zu verstehen, müssen wir „die Kuh erst fliegen lassen“.

Die ethymologische Herleitung von Porticus aus Porta haut schon allein deshalb nicht hin, weil es sprachlich keinen Grund gegeben hätte, aus dem auslautenden A ein I zu machen (vgl. den Namen Spartacus). Die Endung -(i)cus deutet genauso wie bei dem Namen des berühmten Sklaven viel mehr auf einen griechischen Wortstamm hin, denn im Griechischen beschreibt das Suffix -(i)kos immer eine Zugehörigkeit.

Sparta-cus ist demnach einer, der „zu Sparta gehört„, weil er aus Sparta kommt. Analog dazu ist eine Port-icus etwas, was zum Port-os gehört, also zum Lastentragen. Das griechische Wort Portos seinerseits leitet sich ab von port-izein, was so viel bedeutet wie „tragen, stemmen, heben oder halten„. Dieses Wort gibt es übrigens leicht abgewandelt auch im Lateinischen. Dort heißt das Äquivalent für tragen „port-are„.

Im kaiserzeitlichen Latein von Augustus bis Commodus wird die Porticus immer als Halle verstanden. Aber in einem Fragment des hellenistischen Dichters Ennius, der rund 200 Jahre früher lebte und viele griechische Autoren gelesen hatte, beschreibt das Wort Porticus ein „Zeltvordach, das von zwei Pfosten getragen“ wird. Und sehr wahrscheinlich ist dies die älteste und ursprünglichste Bedeutung, denn in vielen römischen Häusern aus der Zeit der Republik gab es diese kleinen Vordächer vor dem Eingang, die von kräftigen Holzpfosten oder kleinen Säulen getragen wurden.

Im Laufe der Zeit wurden diese wohl ursprünglich nur zum Schutz vor Sonne und Regen gebauten Vordächer immer länger und repräsentativer, bis das „zum Lastentragen gehörende“ Bauelement schließlich variiert wurde und im architektonischen Kanon eine neue Definition erhielt.