Gel de öğren, oğlum!

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Das Spiel, das selbst die Hohe Pforte öffnet

Tavla ist mehr als einfach nur ein türkisches Brettspiel. Neben Okey ist es DAS Spiel der Alten und aller stets gut informierten Kaffeehausbesucher. Im Gegensatz zum europäischen Backgammon, das durch die Würfel immer noch eine hohe Glückskomponente hat, ist Tavla eigentlich ein reines Strategiespiel.

Denn KEIN guter Tavlaspieler verlässt sich in einer Partie auf sein Glück! Vielmehr nutzt er die Zeit, die der andere braucht, um seinen Zug zu machen, um die Würfel in seinen Fingern so zu drehen, dass sie beim Wurf den gewünschten Effet bekommen und nach dem Touchieren der Bande und drei, vier Umdrehungen genau so landen wie man es braucht. Zugegeben, das ist eine hohe Kunst. Aber wie jede andere Kunst kann man auch das lernen.

Wenn meine Mutter früher mit ihren Freundinnen auf dem Kapalı Çarşı war und sich bei den Goldhändlern nach Schmuck und schönen Steinen umsah, ließ sie mich immer bei Osman Tuzlu, einem alten Tuchhändler, der sich rührend um mich kümmerte und es mir an nichts fehlen ließ. Osman brachte mir das Tavla spielen bei und bei ihm lernte ich auch das Würfeln.

Eine gepflegte Partie Tavla hat mir in meiner Archäologenzeit oft geholfen, um selbst die verschlossensten Staatsdiener vor ihre Hohen Pforten zu locken und sie anschließend im unverwechselbaren Jargon der Brettspieler nach Strich und Faden abzuzocken. Und da gibt es einige lustige Sprüche und Wortspiele, die man entweder beschwörend vor dem Wurf ruft oder als lässigen Kommentar während des Zuges ausspricht: düşeş (6+6), şeşbeş (6+5) oder pencüse severim güzeli gencüse (3+5, ich liebe die Schöne, wenn sie jung ist) und so weiter.

Einige dieser Typen spielen auch gern um Geld. Und da habe ich mir manchmal einen Spaß draus gemacht und mich als doofer Touri ausgegeben, der sich schon mit „Do you speak English?“ als Weißbrot outet. Ganz wichtig ist dann, dass man anfangs europäisch würfelt, also aus der hohlen Hand heraus. Und wenn dann der Einsatz hoch genug ist, wechselt man in die türkische Wurftechnik, haut gekonnt all die schönen Sprüche raus und zeigt seinem Gegenüber, dass in einem Strategiespiele immer derjenige gewinnt, der mehr von Strategie versteht. Und wenn das Gegenüber Spaß versteht, kann man seinen Gegner mit „gel de öğren, oğlum!“ versenken: „Komm und lerne, mein Sohn!“