
Neulich war ich mit einer Freundin und ihrem Hund in Zarrentin am schönen Schaalsee spazieren und da fiel sie mir wieder ein, die tragische Geschichte von Theresa und Wilhelm. Wilhelm Zogenim kam ursprünglich aus der Uckermark. Als Zisterzienser-Mönch im Kloster zu Medingen bei Lübeck hatte er sich dem Zölibat verpflichtet. Aber dann begegnete er der jungen Theresa, die als Nonne im Zisterzienserkloster von Zarrentin bei Gudow lebte. Es kam, wie es kommen musste: Die beiden verliebten sich unsterblich, durften ihre Liebe aber nicht öffentlich leben.
Stattdessen schrieben sie sich herzzerreißende Liebesbriefe, in denen sie sich ihrer ewigen Treue versicherten. Das Post Scriptum der vierten Seite dieses Briefes vom 27. März 1714, den Wilhelm mit „dein treu ergebener Knecht und Sklave“ unterschrieb, könnte es nicht treffender ausdrücken – wenn Ihr die altdeutsche Kurrentschrift lesen könnt, versucht den Text auf dem Foto ruhig mal selbst zu entziffern
„P.S.: Ich weiß, daß du ebenmäßig voller Betrübnis seyn werdest, doch bitte, du wolltest solche so moderieren, daß du an deinem zarten Leibe deßwegs keine incommoditet leiden mögest. Ich küsse dich zum hunderttausend Malen und hoffe, daß mein Brief an deinem Papa gut Effekt habe … und unser beider Vergnügen in unserer Umarmung vollkommen werde.„
Wilhelm und seine Geliebte hatten offenbar vor, den katholischen Orden zu verlassen und mit dem Einverständnis von Theresas Vater ein bürgerliches Leben zu beginnen. Ein schöner Plan – mit schlechtem Timing: Wilhelm Zogenim wurde exkommuniziert und alsbald nicht mehr gesehen. Auch Theresa wurde exkommuniziert und verschwand von der Bildfläche …
… und wäre vermutlich für immer im klerikalen Schleier des Vergessens verschollen, wenn sie nicht kurz nach der Wende während einer Notgrabung des Landesdenkmalamtes von Mecklenburg-Vorpommern wieder aufgetaucht wäre. Und zwar mitsamt all ihrer Liebesbriefe in einem zugemauerten Kellerverlies unter dem alten Kreuzgang der Klosterkirche von Zarrentin.
Ich hatte damals noch Archäologie studiert und an der Grabung als studentische Hilfskraft teilgenommen. Da das Grabungs-Budget sehr knapp war, gab es für diesen Job außer Unterkunft und Verpflegung keinen Lohn. Am Ende erhielten wir dennoch jeder einen der unzähligen Briefe, mit denen Theresa ihre Reise in die Dunkelheit angetreten hatte.
Sie dürfte vor ziemlich genau 300 Jahren gestorben sein. Ob es Mord war und man die arme Frau lebendig eingemauert hat, oder ob sie schon vorher tot war, lässt sich heute nicht mehr ermitteln. Auf jeden Fall, finde ich, ist ihre Liebesgeschichte es wert, mit allem Respekt erzählt zu werden!